Nicht veröffentlichter Leserbrief an die NRZ eines Mitglieds des Friedensforums:
Ausgabe der NRZ vom 28. Dezember 2019
Artikel: Europäische Union soll eigene Cybersoldaten bekommen
Sehr geehrte Damen und Herren!
Aktuell geht die Meldung durch die digitalen Medien, dass Frau Kramp-Karrenbauer als Verteidigungsministerin Deutschlands den Einsatz deutscher Truppen in Zentralafrika weiter ausbauen möchte. Die CDU-Ministerin umschreibt ihr Anliegen mit den Worten, dass sich Deutschland nicht wegducken sollte. Als ob die Rolle Deutschlands in Afrika nicht schon seit dem Kaiserreich und den Eroberungswünschen Hitlerdeutschlands mit der „Heldenrolle von Rommel“ schon stark belastet wäre. Seit je waren die Nachschubwege für Rohstoffe und globale strategische Einflußsphären zu sichern. Und dies auch mit militärischem Einsatz. Heute nennt man es anders: die Verantwortung Deutschlands in der Welt sicher stellen. Es ist unverfänglicher argumentiert, dient aber den gleichen Zwecken.
Das aktuelle Statement der CDU-Verteidigungsministerin heißt nichts anderes, als dass der Kriegseinsatz zusammen mit dem französischen Truppeneinsatz in Mali ausgeweitet werden soll. Angeblich wegen des islamischen Terrors. Genau genommen gilt es, die wirtschaftlichen Ziele in der Sahelzone militärisch abzusichern (Uranerz-, Siliziumvorkommen, Seltene Erden, Erdöl).
Zum andern berichten Sie in Ihrer Zeitung vom Fraktionsvorsitzenden der Christdemokraten im EU-Parlament (und ehem. Kandidaten für die EU-Kommissionspräsidentschaft) Weber, der die Aufstellung einer Cyberabwehrbrigade forderte. Sie zitieren Weber: „Da müsse Europa in der Welt einig und „aktions-, verteidigungs- und voll handlungsfähig sein“. Bereits im kommenden Jahr soll in der neuen mittelfristigen Finanzplanung der EU für die Jahre ab 2021 dies beschlossen werden. Aber eines müsste doch eigentlich klar sein: Das Vertragsrecht der Europäischen Union lässt keine militärischen Klimmzüge in Europa zu! Die Aufrüstung einer EU-Armee, neben dem Weiterbestand der Armeen der europäischen Nationalstaaten und neben dem NATO-Bündnis, wird durch die Hintertür betrieben. (Siehe PESCO-Verträge.) Dazu als nähere Information das Buch von Claudia Haydt und Jürgen Wagner „Die Militarisierung der EU – Der (un)aufhaltsame Weg Europas zur militärischen Großmacht“.
Eine weitere Meldung Ihrer aktuellen Zeitungsausgabe macht deutlich, dass überhaupt kein Interesse daran besteht, den Rüstungswahnsinn zu stoppen. Unter der Schlagzeile „Rüstungsexporte auf Rekordniveau“ wird deutlich, dass Deutschland nicht nur an Ungarn im extremen Maß Waffenexporte vornimmt, sondern auch an Ägypten, ein Staat, der momentan im Jemenkrieg an „vorderster Front“ involviert ist. Ungarn, ein System, welches menschenrechtlich stark in der Kritik steht, nicht nur wegen seiner Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen, sondern auch wegen der Verfolgung von Minderheiten in Ungarn, das rechtsstaatlich höchst fragwürdig ist. Die Frage darf erlaubt sein, was mit den exportierten Waffen in den Lieferländern passiert. Dürfen wir darauf gefasst sein, dass die Waffen zum Einsatz kommen und weiter Kanälen zugeführt werden, die, wie im Fall der Waffenexporte nach Mexiko, bei Massakern an Aufständischen eingesetzt werden? Oder die militärische Infrastruktur von Oligarchen- und Repressionssystemen sichern?
Wenn sich augenblicklich Herr H. Maas (SPD-Aussenminister) für einen Waffenstillstand in Syrien einsetzt, ist das sicherlich lobenswert. Aber er macht sich mit seiner Toleranzpolitik gegenüber dem NATO-Partner Türkei mit seinem Anliegen höchst unglaubwürdig, indem er dem Okkupator im Norden Syriens freie Hand lässt. Dies hat schon bundesdeutsche Tradition, denn schon bei der Besetzung Nord-Zyperns durch türkische Truppen und die Teilung der Insel war von dem NATO-Partner Deutschland keine Silbe zu hören, die zu Sanktionen der Türkei aufrief und völliges Verständnis für die Okkupationspolitik der Türkei bewies, wenn es um die Ausweitung der Waffenexporte in die Türkei ging. Panzer aus deutscher Produktion wurden schließlich in den Regionen, in denen Kurden leben, eingesetzt! Wie blind ist Herr Maas, um sich unglaubwürdig darzustellen.
So können deutsche Rüstungskonzerne ihre Profitaussichten sicherstellen, wenn an dem Parlament vorbei und hinter dem Rücken der Bevölkerung im Sicherheitsrat die Türen für mehr Rüstungsexporte weit geöffnet werden. Die SPD und Christdemokraten sind sich darin einig.
Mit der Bitte um Veröffentlichung meines Leserbriefs.
Freundlicher Gruß!
Jürgen Hagenguth